Geschäftschancen mit Social Media | 3m5.

13. Mai 2019

Wo treffe ich meine Kunden? Was lerne ich aus dem Feedback meiner User? Wie messe ich Erfolg? Im Sozialnetzwerk muss man die richtigen Fragen stellen, sagt Internet-Forscher Prof. Alexander Rossmann. Seine Studie Auf der Suche nach dem Return on Social Media an der Uni St. Gallen sorgte einst für Furore.

 

 

Professor Rossmann, in einer Studie für die Universität St. Gallen haben Sie untersucht, wie Unternehmen mit Social Media gute Geschäfte machen. Wer hat das Erfolgsrezept gefunden?
Es gibt gute Beispiele aus verschiedenen Branchen. Da haben wir die Brauerei Anheuser-Busch mit der Marke Becks. Das Unternehmen fragte sich, wie Social Media im Sinne des Crowdsourcing für die Produktentwicklung verwendet werden kann, und welchen Einfluss die Einbindung der User auf den Vertriebserfolg von Bierprodukten hat. Das sind andere Ansätze als bei einer Versicherung, da es kein digitales Geschäftsmodell ist und Bier physisch konsumiert werden muss. Andere gute Beispiele sind Payback oder Microsoft mit ihrer Produkttester Community.

Welche Branchen profitieren von Social Media am meisten?
Es gibt Branchen, die es leichter haben als andere. Das liegt nicht an der Marktkonfiguration selbst, sondern hat etwas mit Ressourcen zu tun. Die IT- oder Medienbranche etwa hat eher eine Affinität zu Social Media und verfügt über entsprechendes Personal. Schwerer ist das für Unternehmen, die bisher nichts mit Medien, IT oder Digitalisierung zu tun hatten. Exemplarisch ist hier der Maschinenbau, der im Zuge von Industrie 4.0 immer stärker mit dem Thema Digitalisierung konfrontiert ist, aber mit Social Media bisher noch nicht viel am Hut hat.

Viele unserer Kunden sind Versicherungen, Hidden Champions und große Medienhäuser – welche Unterschiede sehen Sie hier beim Geschäft mit Social Media?
Jeder muss sein Geschäftsmodell unter die Lupe nehmen und sich Gedanken darüber machen, wie seine Customer Journey aussieht. Also: Wo treffe ich meine Kunden, kann hier Social Media einen sinnvollen Beitrag leisten? Versicherungen haben ein Geschäftsmodell, das sehr stark auf den Verkauf von Verträgen abhebt. Hier gibt es starke ROPO-Effekte, also Research online, purchase offline. Social Media bietet Gelegenheit, mit Kunden in Kontakt zu treten, also Leads zu generieren und Beziehungen aufzubauen. Die Abschlüsse erfolgen aber oft in den Filialen vor Ort. Das wird sich ändern, wir werden sehen, dass Verträge in Zukunft direkt online abgeschlossen werden. Das wäre eine Bedeutungssteigerung von Social Media, weil wir dann den Kanalbruch nicht mehr haben.

Welche Möglichkeiten haben Hidden Champions?
Hidden Champions haben häufig ein direktes Vertriebsmodell, hier wird face-to-face an Key-Accounts verkauft. Es gibt es tolle Beispiele von Hidden Champions aus der IT-Branche, ich denke da an IBM, die wunderbar vormachen, wie Social Media für den Direktvertrieb genutzt werden kann. Es ist eben wichtig, sich auch online mit seinen Kontakten zu vernetzen, ein vernünftiges Content Marketing zu machen, um sein Thought-Leadership für einen bestimmten Bereich zu demonstrieren.

Und die Medien?
Wer bei diesem Geschäftsmodell keine Ansatzpunkte für Social Media findet, dem kann man nicht mehr helfen. Das heißt allerdings nicht, dass man keine Fehler machen kann. Es gibt starke Marken bei den Sendeformaten, um die herum sich eine Community aufbauen lässt. Wenn ich die nicht habe, wird sich auf Dauer auch die Einschaltquote nicht halten lassen. Beim Einsatz von Second Screens ist wichtig, dass die Community zeitgleich gebunden wird. Positive Beispiele waren früher die großen Soaps. Für aktuelle Beispiele fehlen mir derzeit die Daten.

Sie sagen also, generell könnte jede Firma mit Social Media Geld verdienen?
Ja, grundsätzlich sehe ich keine Branche, die nicht von der Anwendung von Social Media profitieren könnte. Das ist immer eine Frage der Strategie und wie sie die neuen Medien einbindet.

Jedes fünfte mittelständische Unternehmen in Deutschland hat laut einer Studie der Initiative "Antrieb Mittelstand" noch nicht einmal eine eigene Homepage, von einer Social Media Präsenz ganz zu schweigen. Warum sind Mittelständler so zögerlich beim Einsatz von Social Media?
Das interessiert uns auch. Mittelständler haben ja ganz andere Ausgangsvoraussetzungen als ein Konzern, vor allem fehlen Ressourcen. Prozesse aus dem Kontext der Großunternehmen lassen sich nicht 1:1 übertragen. Wir haben dazu jetzt ein Forschungsprogramm aufgelegt und wollen  nächstes Jahr erste Ergebnisse vorlegen.

Was muss ein Unternehmen tun, um mit Social Media Erfolg zu haben? Facebook oder Twitter dürften allein nicht reichen.
Man muss überlegen, wie das Geschäftsmodell der Firma funktioniert. Wie verdient sie ihr Geld, wie kommen die Kunden in Kontakt zu ihr, welche Kontakte haben die Kunden zur Marke. Dann die Frage: Kann Social Media hier einen Beitrag leisten? An welcher Stelle kann Social Media eingreifen? Bei einem Maschinenbauer, der hauptsächlich B2B macht, müsste Social Media den Direktvertrieb unterstützen. Bei Versicherungen würde man sich auf die Generierung von Leads konzentrieren. Ein Bierhersteller könnte mit seiner Community neue Biermischgetränke entwickeln. Das ist ein Kreativprozess. Bei der Strategie-Entwicklung stellt sich die Frage: Wie kann ich Social Media zur Wertschöpfung nutzen, und welchen Mehrwert bringt das meinem Kunden?

Welche Kanäle im Sozialnetzwerk eignen sich für B2B, welche für B2C, oder ist diese Unterscheidung vielleicht längst passé?
Aus meiner Sicht haben sich hier die Grenzen aufgelöst. Es gibt immer noch gewisse  Präferenzen,  so ist Facebook eher im B2C-Bereich angesiedelt, das klassische Business-Netzwerk im B2B-Bereich. Doch ich habe auch schon gute B2B-Strategien gesehen, die Facebook integriert haben. Die Frage, welcher Kanal der passende ist, kommt ohnehin relativ spät im Strategieprozess. Den Fehler, den viele Unternehmen heute machen, ist, dass sie sich mit dieser Frage schon am Anfang auseinandersetzen.

Erfolg mit Social Media – wie kann man diesen messen?
Ich kann ihn nur messen, wenn ich weiß, was Erfolg ist. Ein Modell finde ich hier ganz gut, das schon ziemlich alt ist und vom Internationalen Controller-Verband stammt. Dieses Wirkungsstufen-Modell der Kommunikation beschreibt auf vier Stufen, was man messen sollte und messen kann, um den Return on Investment zu zeigen. Auf jeder Stufe schaue ich, welche Investitionen einfließen, also wie viel Zeit und Arbeitskraft ich einsetze. Auf der anderen Seite messe ich den kommunikativen Output an Größen wie Reichweite, Viralität, User Engagement – Metriken, die teilweise von den Plattformen selbst ausgewiesen werden. Schwierigkeiten haben viele Unternehmen, wenn es von der Outcome- zur Outflow-Ebene geht. Hier muss man überlegen, wie das, was in der Kommunikation passiert, konkret in die Wertschöpfung einfließt – in Form von mehr Umsatz, höherer Kundenzufriedenheit, besserer Marge.

Sie schreiben, das Social Web eigne sich nicht für eine Übertragung der alten Marketinglogik aus der klassischen Werbung in die digitale Welt. Warum nicht?
Als alte Logik bezeichnen wir eine eindimensionale Kommunikation von innen nach außen, also dass massenmedial kommuniziert wird, dass nach Botschaften gesucht wird, die für die breite Masse geeignet und wenig spezifisch sind. Sie zeichnet sich auch dadurch aus, dass häufig Dienstleister beauftragt werden, die dann die entsprechenden Massenmedien betreuen sollen und Botschaften in entsprechenden Formaten zur Verfügung stellen. Das passt nicht zu Social Media. Dort haben wir eine Logik, die zweidimensional ist, sprich: Interaktion braucht. Man muss zuhören können und aus dem Feedback der User lernen. Ich muss wissen, was ich vom User will, und wie er zur Wertschöpfung beitragen kann. Das verändert auch das Beratungs- und Agenturmodell. Nicht alle Dienstleister können bei diesem Veränderungsprozess mithalten.

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